Computerspiele für Fortgeschrittene – die in silico Methodik

Der Hund ist des Menschen bester Freund, der Computer kommt gleich danach auf Platz 2. Er ist aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Und so ist es nicht verwunderlich, dass er uns nicht nur im Alltag vieles erleichtern kann, sondern auch in der Wissenschaft. Wer früher noch mit Augenringen bis Mitternacht im Labor pipettieren musste, fragt heute seinen Rechner und trinkt dabei gemütlich eine Tasse Kaffee. Und freut sich darüber, was der Computer so alles weiß.

Für so manches Experiment muss man sich zum Glück heute nicht mehr ins Labor stellen, und in Zukunft wird die Arbeitslast wahrscheinlich noch weiter sinken. Denn der Computer kann bereits im Vorfeld helfen zu entscheiden, ob sich ein Experiment überhaupt lohnt. Das ist besonders für die Pharmaindustrie interessant, die ständig auf der Suche nach neuen Wirkstoffen ist. Per Computer lassen sich die Eigenschaften eines potenziellen neuen Wirkstoffes mit denen von bereits bekannten Substanzen vergleichen. Solche ‚in silico‘ genannten Verfahren gibt es bereits mehrere und meistens tragen sie schicke Abkürzungen, wie zum Beispiel QSAR und PBPK. Sie basieren darauf, dass in der Chemie eine ähnliche Struktur oft mit ähnlichen Eigenschaften – also auch einem ähnlichen Verhalten im menschlichen Körper – einhergeht.

In Datenbanken werden chemische Verbindungen gemäß ihren Eigenschaften in verschiedene Kategorien gruppiert und die unbekannte Substanz damit verglichen. Dabei wird nicht nur die Molekülstruktur betrachtet, sondern zum Beispiel auch die Bioverfügbarkeit und wie leicht die Verbindung mit anderen Stoffen reagiert. Andere in silico Methoden konzentrieren sich auf den dreidimensionalen Aufbau. Eine chemische Reaktion zweier Moleküle erfolgt normalerweise über bestimmte Stellen mit besonderer Struktur. Man kennt bereits viele solcher ‚Reaktionszentren‘, und so kann man auch unbekannte Substanzen entsprechend danach absuchen. Die Reaktionszentren geben Aufschluss darüber, mit welchen Verbindungen die Substanz reagieren kann und welche Art von Reaktion dabei abläuft.

Natürlich muss man auch überprüfen, ob eine Substanz das menschliche Erbgut schädigt (‚Genotoxizität‘/‘Mutagenität‘). Auch hierbei kann der Computervergleich helfen. Denn um das Erbgut anzugreifen, muss die Substanz in der Lage sein, an die menschliche DNS zu binden. Dies geschieht, ähnlich wie oben beschrieben, über Reaktionszentren. Im Jahr 2010 wurde eine wissenschaftliche Arbeit publiziert, die 57 solcher Strukturkomplexe definiert hat. Finden sich einer oder mehrere davon in einer unbekannten Verbindung, kann man davon ausgehen, dass die Substanz wahrscheinlich gefährlich für das Erbgut ist.  

Wichtig ist aber auch, wie eine chemische Verbindung im Körper verstoffwechselt wird. Deshalb gibt es auch Computermodelle, die vorhersagen, ob die Testsubstanz die Blut-Hirn-Schranke überwindet, oder die Darmwand durchdringt. Wenn das Molekül strukturell gut an die im menschlichen Körper vorhandenen Transporterproteine passt, wird es bestimmte Gewebe besser erreichen können als andere Verbindungen. Oder es beeinflusst die CYPs – das sind Enzyme, die zum Beispiel Medikamente in unserem Körper abbauen. An Hand der Reaktion mit den CYPs lässt sich abschätzen, ob und wie lange die Testsubstanz im Körper verbleibt.

Man kann also schon im Vorfeld eine ganze Menge herausfinden über eine neue Testsubstanz. Mittlerweile gibt es sogar ein großes EU-Projekt im Bereich in silico Forschung. Es heißt ‚COSMOS‘ und wurde schon vor einigen Jahren ins Leben gerufen, als die EU das geplante Tierversuchsverbot für kosmetische Produkte ab 2013 bekannt gab. COSMOS geht unter Anderem der Frage nach, wie man testen kann, ob ein Kosmetikum auch bei Langzeitanwendung sicher ist. So werden die Computerverfahren immer weiter verbessert und verfeinert – und ersetzen nicht nur eine Menge Tierversuche, sondern ersparen den Forschern auch viel Zeit, Geld und Frust.

Quellen:

Homepage des COSMOS Cluster: http://www.cosmostox.eu/home/welcome/

Raunio, H. (2011): In silico toxicology – non-testing methods. Frontiers in Pharmacology, Volume 2, Article 33.

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